Das Phänomen "Schmerz" verstehen
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Schmerz ist ein subjektives Phänomen, das wir nicht vollständig verstehen
Auf einen Legostein treten, den Zeh am Rand eines Türrahmens stoßen oder den Finger in einer Schublade einklemmen. Nein, das wird jetzt nicht der Anfang eines typischen Comedy-Sketches. All diese Szenarien enden nicht nur mit viel Gefluche, sondern auch mit einem schmerzhaften Gefühl, das aus dem Bereich der Verletzung kommt. Schmerzen treten unmittelbar auf und lassen dann langsam nach. Abgesehen von dem unangenehmen Gefühl: Weißt Du, warum Schmerzen für unser Überleben unerlässlich sind?
Denke an Deine unbeschwerten Jahre als Kind zurück. Du hast wahrscheinlich Inliner oder Skateboards ausprobiert. Und bei beidem hast Du Dir wahrscheinlich ordentlich weh getan! In unseren jugendlichen Jahren sind wir viel furchtloser. Wir haben nicht gelernt, Angst vor Schmerzen und Verletzungen zu haben, die durch Sportarten wie Skateboarden entstehen können. Später im Leben ist manchmal schon die kleinste Beule unglaublich schmerzhaft.
Es ist nicht so, dass das Phänomen der Schmerzen mit zunehmendem Alter zunimmt. Stattdessen schafft der Schmerz eine bleibende Erinnerung, die uns daran erinnert, uns nicht nochmal so zu verletzen. Mehr noch, der Schmerz hindert uns auch daran, einen gebrochenen Knochen zu berühren oder an einer Wunde herumzuspielen. Dies geschieht, damit der Körper richtig heilen und sich regenerieren kann. Der Schmerz erinnert uns daran, uns von schädlichen Situationen fernzuhalten, und hat der Menschheit geholfen, Millionen von Jahren zu überleben. So unangenehm es auch ist, unter Schmerzen zu leiden, ganz ohne Schmerzempfinden kann es sehr schlecht laufen!
Der Weg der Schmerzen
Bevor wir einige der mit Schmerzen verbundenen Leiden erforschen, beginnen wir damit, wie wir Schmerzen überhaupt wahrnehmen. Schmerzen haben keinen direkten Kontakt mit unserem Gehirn. Stattdessen verlässt sich der Schmerz auf mehrere verschiedene Neuronen und Nervenbahnen, um von der Schmerzquelle bis zu unserem Gehirn und wieder zurückzugelangen. Ein Neuron ist eine Nervenzelle, die für die Übertragung eines Signals verantwortlich ist.
Wenn wir das gefürchtete Legoszenario als Beispiel heranziehen, wird das Treten auf einen Lego-Stein von Nervenenden in der Fußsohle wahrgenommen. Diese Nerven werden als Nozizeptoren bezeichnet. Dieses Signal wird über Nervenfasern übertragen und im Rückenmarkhinterhorn gesammelt. Die ursprüngliche Botschaft wird dann auf einen anderen Satz von Neuronen übertragen, die durch das Rückenmark bis zum Gehirn reisen, wo sie zum Thalamus (Gehirn) gelangen. Der Thalamus ist Teil des Mittelhirns und ist dafür verantwortlich, diese Signale in eine logische Reihenfolge zu bringen.
Sobald organisiert, gelangt das Signal zum sensorischen Kortex (unsere emotionale Antwort auf Schmerzen), wo es vom motorischen Kortex (unsere physische Reaktion auf Schmerzen) entschlüsselt und interpretiert wird.
Das Signal wandert dann auf den gleichen Wegen zu den Motoneuronen in Deinen Fuß zurück. Ergebnis: Du springst weiter umher, greifst an Deinen Fuß und fluchst. Obwohl es fast ein Dutzend Stufen des "Schmerzgefühls" gibt, geschieht das alles in weniger als einer Sekunde.
Jetzt verstehst Du wahrscheinlich, warum es verschiedene Abweichungen in der Art und Weise gibt, wie wir Schmerzen empfinden. Es braucht nur einer dieser Abläufe und Reaktionen beschädigt zu werden, damit der normale Vorgang gestört wird.
Der Weg ist lang, und bei vielen Abläufen kann etwas schief gehen
Keine Schmerzen – Kongenitale Analgesie / CIPA-Syndrom
Obwohl das Konzept, sich überhaupt nicht wehtun zu können, besonders beim Thema Legosteine ansprechend klingen mag, ist Kongenitale Analgesie extrem gefährlich. Ohne Schmerzempfinden können Verletzungen viel schlimmer und häufiger werden. Wenn Du nicht weißt, dass Du Dir einen Knochen gebrochen oder eine schwere Infektion zugezogen hast, wirst Du wie gewohnt weitermachen. Es fehlt der natürliche Schutzinstinkt, den Körper heilen zu lassen.
Personen mit Kongenitaler Analgesie oder dem CIPA-Syndrom können immer noch spüren, wenn man ihren Arm berührt, in den meisten Fällen können auch leichte Temperaturschwankungen wahrgenommen werden. Der Zustand ist das Ergebnis einer fehlerhaften Funktion des Nozizeptors. Wenn Du einen wichtigen Brief abgeschickt hast, dieser aber nie angekommen ist, würde der Empfänger ja auch nicht wissen, was los ist. Mutationen in Zellen verhindern die Übertragung von Schmerzsignalen von der Stelle der Verletzung bis zum Gehirn.
Schmerz, der nicht wehtut – Schmerzasymbolie
Bei der Schmerzasymbolie ist es nicht der Nozizeptor, der beschädigt ist, sondern der sensorische Kortex. Seine Fähigkeit, das Schmerzsignal zu entschlüsseln und einen schmerzhaften emotionalen Auslöser anzuregen, ist mangelhaft. Eine Reaktion des Körpers auf Schmerzen ist nur ein Aspekt. Nimm Dir erstmal eine Minute Zeit, um über das tatsächliche emotionale Schmerzempfinden nachzudenken.
Was wäre, wenn Du in Deinen Arm schneidest und spüren könntest, wie die Haut beschädigt wird, aber das Gefühl eher angenehm als unangenehm ist? Die Herausforderung für diejenigen, die mit Schmerzasymbolie leben, ist nicht, dass sie Schmerzen nicht spüren können, sondern dass ihr Gehirn sie nicht als negative Empfindung anerkennt. Obwohl wir die Intensität der Schmerzen nicht ändern können, können wir immer noch versuchen, unsere emotionale Reaktion darauf zu verbessern. Dies ist besonders wichtig für diejenigen, die mit Schmerzasymbolik leben: Sie müssen lernen, dass Schmerzen und Handlungen, die Schmerzen verursachen, vermieden werden sollten.
Über die Macht des Geistes über den Körper wurde sich im Laufe der Geschichte oft Gedanken gemacht: Die hinduistische Zeremonie des "über dem Feuer laufen" und die unterdrückten buddhistischen Mönche sind Paradebeispiele. In beiden Fällen ist eine konventionelle Methode des Umgangs mit Schmerzen die Meditation. Indem wir unsere Gedanken kanalisieren, können wir versuchen, die Auswirkungen von Schmerzen und unserer emotionalen Reaktion zu verringern. In einigen Fällen kann die Achtsamkeitsmeditation das Schmerzempfinden um bis zu 57% reduzieren.
Nicht vorhandener, echter Schmerz – Phantomschmerz (PLP)
Phantomschmerz bedeutet, dass ein Schmerzgefühl besteht, auch wenn das betroffene Körperglied entfernt wurde. Obwohl PLP bei 50–80% der Amputierten auftritt, sind sich die Forscher immer noch nicht ganz sicher, wie dieses Phänomen entsteht. Wie behandelt man ein schmerzhaftes Gefühl, das technisch gesehen nicht existieren kann? Eine dieser Methoden ist die Spiegeltherapie.
Indem man das fehlende Körperglied vor einem Spiegel visualisiert und versucht, es so zu halten, als wäre es vorhanden, geht es darum, das Gefühl des Schmerzes anzuerkennen, anstatt es zu ignorieren. Es ist fast so, als ob man seinem Körper versichert, dass man von der fehlenden Extremität weiß, damit er aufhören kann, es einem über das Schmerzgefühl zu sagen. Auch wenn es keinen logischen Sinn macht: Die Schmerzen sind immer noch real und müssen behandelt werden.
Leben mit Schmerzen – chronische Schmerzen
Chronische Schmerzen sind der weit gefasste Begriff für den Fall, dass Schmerzen über einen längeren Zeitraum hinweg auftreten. Dies kann geschehen, wenn ein Teil des Nervensystems beschädigt wird oder nicht richtig funktioniert. Jeder fünfte europäische Erwachsene leidet an chronischen Schmerzen, wobei zwei signifikante Kategorien von Schmerzen existieren.
Sowohl nozizeptive als auch neuropathische Schmerzen können unglaublich lähmend sein. Sie beeinflussen die psychische Gesundheit eines Patienten und seine Fähigkeit, alltägliche Aufgaben zu erledigen. Viele Personen, die mit chronischen Schmerzen leben, reagieren nicht mehr auf traditionelle Schmerzmedikamente und können kaum Vollzeit arbeiten. In diesen Fällen spielt die Selbstbehandlung, wie Achtsamkeitsmeditation und Lebensstiländerungen, eine große Rolle bei der Behandlung chronischer Schmerzen. Für die Behandlung von Schmerzen gibt es keinen universellen Ansatz. Das Konzept ist weitaus ausgefeilter.